«Da war ich wirklich baff!»

Die «Barriere-Karte» soll unser Bewusstsein für Barrieren schärfen und uns Mut machen, diese zu öffnen. Béatrice Spohn, die Gestalterin, spricht im Interview über die Entstehung der Karte, über Zukunftswünsche und eigene Barrieren.

Béatrice Spohn präsentiert ihre Barriere-Karte und den daraus entstandenen «Mehrwerk»-Flyer.
Béatrice Spohn präsentiert ihre Barriere-Karte und den daraus entstandenen «Mehrwerk»-Flyer.
Barriere zu, Barriere auf! Im Alltag gibt es viele Barrieren, die dem Ziel der Inklusion im Wege stehen. Mit diesem Bild sollen sich Mitarbeitende gegenseitig ermutigen, Barrieren zu öffnen.
Barriere zu, Barriere auf! Im Alltag gibt es viele Barrieren, die dem Ziel der Inklusion im Wege stehen. Mit diesem Bild wollen sich Mitarbeitende des Werkheim Uster gegenseitig ermutigen, Barrieren zu öffnen.
Wer sich verbal nicht so gut oder gar nicht ausdrücken kann, kann Bilder in Hosensackgrösse zuhilfe nehmen.
Ein weiteres Werk von Béatrice Spohn: Wer sich verbal nicht so gut oder gar nicht ausdrücken kann, kann dieses Bild in Hosensackgrösse zuhilfe nehmen.

Wie kann Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen in der Wirtschaft und der Gesellschaft gelingen? Eine grosse Frage, die uns im Werkheim Uster und ganz besonders im Projekt «Mehrwerk» beschäftigt. Wir sind der Überzeugung, dass es nicht eine grosse Antwort darauf gibt, sondern tausend kleine. Im Alltag gibt es viele Barrieren, die dem Ziel der Inklusion im Wege stehen: Barrieren im Denken, in der Vorstellungskraft, Barrieren der Gewohnheit, Barrieren im Zutrauen, bei Betroffenen selber, bei den Fach- und Führungskräften, Barrieren in der Kommunikation, in den Räumen, in den Institutionen und in der Gesellschaft ganz generell. 

Béatrice Spohn, Mitarbeiterin im Kunstvoll, gestaltete eine Barriere-Karte, um unser Bewusstsein für Barrieren zu schärfen. Mit dieser Karte im Sack, auf dem Pult oder an der Pinnwand sollen sich Mitarbeitende gegenseitig ermutigen, Barrieren zu öffnen.

Béatrice, wie kam es dazu, dass du die Barriere-Karte gemalt hast?

Ich arbeite schon länger an Bildern in Hosensackgrösse, die diejenigen Klientinnen und Klienten vom Werkheim Uster brauchen können, die sich verbal nicht so gut oder gar nicht ausdrücken können. Die Karten sollen ein Mittel sein, um dem Gegenüber ohne Worte ein Anliegen zu vermitteln. Ein Beispiel ist die Karte «Grenzen akzeptieren»: Die kann eine Person brauchen, wenn ihr Nein oder ihre Gefühle nicht respektiert werden. Katrin Roth Jenal, die Agogik-Fachverantwortliche des Werkheim Uster, kam mit der Idee der Barriere-Karte auf mich zu, weil sie solche Arbeiten von mir gesehen hatte.

Du hast die Idee hinter der Barriere-Karte und den Auftrag an dich an einem «Mehrwerk»-Workshop präsentiert, an dem Ideen, Wünsche und Stärken von Mitarbeitenden mit Beeinträchtigung besprochen wurden. Wie war das für dich?

Vorträge vor anderen Leuten halten und Ideen mit diesen Leuten teilen, das mache ich gerne. Von dem her brauchte es nicht viel Überzeugungsarbeit. In meinem Vortrag erzählte ich vom Gestaltungsprozess: Am Anfang hatten wir eine andere Bildidee für die Barriere-Karte, diese hatte ich dann so umgesetzt. Es war ein bisschen ein Hin und Her, bis wir bei der finalen Version angelangten. Irgendwann merkte ich: Jetzt stehe ich selber vor einer Barriere. Weil ich von Anfang an gleich die perfekte Zeichnung gestalten wollte. Ich habe es aber zum Glück geschafft, die Barriere zu öffnen. Indem ich mir sagte, dass ich ja sehr gerne male und so Zeit mit meiner Leidenschaft verbringen kann.

Wie hast du den ganzen «Mehrwerk»-Workshop erlebt?

Dani Dietrich war auch bei diesem Workshop dabei. Er hat sehr schöne Sachen gesagt, die ich nicht erwartet hätte. Dass er das Potential in uns Klientinnen und Klienten erkennt und sieht, dass wir mehr können. Zum Beispiel auch im Büro arbeiten oder sogar Chef werden. Da war ich wirklich baff! Und sehr froh darüber. Das habe ich ihm danach auch so gesagt. 

Welche anderen Dinge habt ihr besprochen, hinter denen du stehst und die man umsetzen sollte?

Dario, eine externe Agogik-Fachperson, erzählte von Fällen, in denen Menschen mit Beeinträchtigung sehr früh abgestempelt wurden. Er erzählte zum Beispiel von einem Arzt, der einem Klienten sagte, er werde nie schreiben können. Oder von einem Klienten, der nicht alleine einkaufen gehen durfte. Irgendwann hatte er es einfach trotzdem gemacht und seinen Betreuungspersonen so bewiesen, dass er es alleine schafft. In allen Beispielen ging es darum, dass man Menschen mit Beeinträchtigung Dinge zutrauen und ihnen eine Chance geben soll. Das wünsche ich mir.

Deine Barriere-Karte erscheint inzwischen auch auf einem Flyer, der die Vision vom «Mehrwerk» nach aussen trägt. Wie findest du das?

Als ich davon erfahren habe, fand ich es eine sehr schöne Überraschung. Es erfüllt mich mit Ehre, Stolz und viel Freude, dass ich so geehrt werde und bedeutend bin, dass man mir einen schönen Flyer gewidmet hat. So merkt man, wie wichtig man für die Arbeit ist und man hat das Gefühl, die Arbeit richtig gut gemacht zu haben. Ich danke allen vielmals für den schönen Flyer.


Das «Mehrwerk» steht für mehr Zusammenarbeit, mehr Möglichkeiten, mehr Inklusion. Die «Barriere-Karte» wurde im Rahmen dieses Vorhabens umgesetzt. Mehr Informationen dazu finden Sie hier:

Mehrwerk

 

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